Nextcloud Workspace: Europäische Office-Alternative startet
Das Best-of-both-Worlds-Versprechen
Die digitale Souveränität Europas bekommt ein neues Gesicht: Der deutsche Software-Anbieter Nextcloud hat heute gemeinsam mit dem Rechenzentrumsanbieter Ionos seine Office-Suite „Nextcloud Workspace” vorgestellt – eine Open-Source-Alternative zu Microsoft 365 und Google Workspace. Der Start fällt zusammen mit neuen EU-Richtlinien zur Zertifizierung souveräner Cloud-Dienste. Können europäische Anbieter den US-Riesen tatsächlich Marktanteile abjagen?
Die Botschaft ist unmissverständlich: Europäische Daten sollen in Europa bleiben, verwaltet nach europäischem Recht. Was jahrelang als Vision galt, nimmt nun konkrete Formen an. Die Sorgen um Gesetze wie den US CLOUD Act, Datenschutzbedenken und geopolitische Unsicherheiten haben den Boden bereitet für heimische Lösungen.
„Es gab einen massiven Weckruf in Europa”, erklärt Frank Karlitschek, CEO und Mitgründer von Nextcloud. Die wachsende Unsicherheit über die Verlässlichkeit transatlantischer Beziehungen treibt europäische Kunden um. Nextcloud Workspace soll nun zeigen, dass es auch anders geht – mit Textverarbeitung, E-Mail, Kalender und Videokonferenzen aus europäischer Hand.
Die neue Plattform kombiniert die Benutzerfreundlichkeit eines Software-as-a-Service-Produkts mit der Kontrolle einer selbst gehosteten Lösung. Das Modell ist clever: Nextcloud liefert die Software, Updates und Patches, während Ionos die Serverinfrastruktur und Backups übernimmt. Organisationen, die sich von US-Anbietern lösen wollen, aber keine eigene IT-Infrastruktur betreiben können, sollen so angesprochen werden.
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Das Abo-Modell ist wettbewerbsfähig kalkuliert – die Einstiegshürden sollen niedrig sein. Besonders für Behörden und öffentliche Einrichtungen, die ihre Daten zurückholen wollen, könnte das attraktiv werden.
EU-Rahmenwerk schafft Klarheit
Zeitgleich hat die Europäische Union ihren Vorstoß für digitale Autonomie formalisiert. Das neue Cloud Sovereignty Framework geht über bloße Absichtserklärungen hinaus und etabliert konkrete Bewertungskriterien. Herzstück ist der Sovereign European Assurance Level (SEAL) – ein Ranking-System, das Cloud-Dienste nach ihrer Übereinstimmung mit EU-Souveränitätsprinzipien bewertet.
Die Kategorien sind umfassend: strategische, rechtliche, operative und technologische Dimensionen fließen in die Bewertung ein. Das System soll zu einem entscheidenden Faktor bei öffentlichen Ausschreibungen werden. Die EU-Kommission verspricht sich davon mehr Transparenz und einen fairen Wettbewerb, der europäischen Anbietern endlich echte Chancen eröffnet.
Österreich zeigt, wie es geht
Die Nachfrage nach souveränen Lösungen ist keine Theorie mehr. Das österreichische Wirtschafts-, Energie- und Tourismusministerium (BMWET) machte Ende Oktober vor, wie schnell der Umstieg gelingen kann: 1.200 Mitarbeiter wechselten in nur vier Monaten auf eine Nextcloud-Plattform, gehostet auf österreichischer Infrastruktur.
„Wir tragen Verantwortung für eine große Menge sensibler Daten – von Mitarbeitern, Unternehmen und Bürgern”, betont Florian Zinnagl, CISO des Ministeriums. „Als öffentliche Institution nehmen wir diese Verantwortung sehr ernst. Deshalb sehen wir es kritisch, bei der Verarbeitung dieser Informationen auf Cloud-Lösungen nicht-europäischer Konzerne zu setzen.”
Österreich ist kein Einzelfall. Auch Behörden in Deutschland und Dänemark prüfen oder vollziehen bereits den Wechsel zu Open-Source-Alternativen mit lokaler Datenhaltung.
Microsoft schläft nicht
Doch wer glaubt, die US-Giganten würden tatenlos zusehen, irrt. Microsoft kündigte bereits im Juni umfassende „Sovereign Cloud”-Lösungen für Europa an. Das Versprechen: Kundendaten bleiben in der Region, verwaltet von europäischem Personal. Im Februar hatte der Konzern seine mehrjährige Arbeit an einer „EU Data Boundary” für die Microsoft Cloud abgeschlossen – technische Infrastruktur für lokale Datenspeicherung und -verarbeitung.
Die Reaktion zeigt: Der Druck wirkt. Aber reicht das aus?
Kritik am neuen Rahmenwerk
Nicht alle sind überzeugt. CISPE, ein Verband von 38 europäischen Cloud-Anbietern, übte Ende Oktober scharfe Kritik am neuen EU-Rahmenwerk. Der Vorwurf: Die Formulierungen seien so vage, dass sie unbeabsichtigt genau jenen Platzhirschen nützen könnten, die sie eigentlich herausfordern sollen.
Die Sorge ist nachvollziehbar. Ein souveränes europäisches Digital-Ökosystem braucht nicht nur funktionierende technische Alternativen, sondern auch präzise Regulierungen, die lokale Innovation tatsächlich fördern. An dieser Stellschraube muss die EU noch feilen.
Langsamer Wandel, aber Wandel
Analysten von IDC warnen vor überzogenen Erwartungen. Eine Massenflucht von US-Cloud-Anbietern steht nicht bevor – es handele sich um eine „kleine Verschiebung”, nicht um einen Erdrutsch. Dennoch: Die Richtung stimmt. Europäische Organisationen denken verstärkt über digitale Souveränität nach.
Der politische Wille für technologische Autonomie war nie stärker als heute. Vendor-Lock-in und fremde Rechtsräume werden zunehmend als Risiken erkannt. Die Fähigkeit, echte Datensouveränität anzubieten, entwickelt sich vom Nischenfeature zum strategischen Wettbewerbsvorteil.
Der Lackmustest steht bevor
Die Zukunft wird zeigen, ob europäische Anbieter mit den gewaltigen Ressourcen ihrer US-Konkurrenten mithalten können. Die öffentliche Beschaffung wird zum entscheidenden Schlachtfeld. Hier könnten die neuen SEAL-Rankings Anbietern wie Nextcloud, Collabora und ONLYOFFICE einen Vorteil verschaffen – vorausgesetzt, das Regelwerk wird konsequent angewendet.
Der Start von Nextcloud Workspace am Tag der neuen EU-Souveränitätskriterien ist mehr als symbolisch. Es ist ein Testlauf für die Frage, ob Europa seine digitale Zukunft selbst gestalten kann. Die Werkzeuge sind da, die Regulierung nimmt Gestalt an. Jetzt müssen Unternehmen und Behörden zeigen, ob sie bereit sind, den Sprung zu wagen.
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