Bundestag erinnert an 35 Jahre Mauerfall
In einer Gedenkstunde hat der Deutsche Bundestag am Freitag an den Mauerfall vor 35 Jahren erinnert.
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) erklärte, die Mauer sei nicht einfach nicht in sich zusammen gefallen. "Sie wurde zum Einsturz gebracht von mutigen Ostdeutschen, die im Herbst 1989 Woche für Woche auf die Straßen gingen und unter großem persönlichem Einsatz demonstriert haben für Bürgerrechte, für Freiheit und für Demokratie." Die Ostdeutschen hätten mit der friedlichen Revolution der Demokratie in ganz Deutschland einen großen Dienst erwiesen, sagte die SPD-Politikerin."Sie haben damit auch der ganzen Welt ein Vorbild für eine friedliche Revolution gegeben." Bas erinnerte auch an die Ausrufung der Republik durch SPD-Politiker Philipp Scheidemann am 9. November 1918 sowie an die Novemberpogrome 1938. "Der 9. November steht auch für den moralischen Tiefpunkt der deutschen Geschichte: 1938 brannten Synagogen, wurden jüdische Geschäfte geplündert und Wohnungen zerstört. Juden wurden massenhaft verschleppt. Hunderte kamen zu Tode", sagte die Bundestagspräsidentin. Sie verwies auf die Aussage von Charlotte Knobloch, die in der Gedenkstunde 2021 gesagt hatte, am 9. November habe Deutschland das Tor zu Auschwitz aufgebaut. Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider (SPD), warb dafür, einen Gesetzentwurf zur Entschädigung von DDR-Zwangsarbeitern noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg zu bringen. "Ich glaube, das wäre auch angesichts des Jubiläums, das wir heute feiern, insbesondere denen, der Minderheit, die die Freiheit erkämpft hat, würdig", sagte er. In Bezug auf die deutsche Teilung zog die Grünen-Abgeordnete Paula Piechotta einen Vergleich zu Nord- und Südkorea. Manchmal müsse man weit wegfahren, um die Dankbarkeit für 89/90 zu spüren, zum Beispiel an die innerkoreanische Grenze. "Wenn man da steht als Ostdeutsche und nach Norden schaut und die Berge sieht mit Propagandalettern und nordkoreanische Soldaten mit abgewetzten Mänteln und Straßen, auf denen niemand fährt, dann denkt man: Verdammt, das hätte auch unser Schicksal sein können." Sie verwies zudem auf die zahlreichen Revolutionsversuche in Ost- und Mitteleuropa seit 1945. "Es ist nicht nur keine Selbstverständlichkeit, dass Revolutionsversuche friedlich sind. Es ist auch keine Selbstverständlichkeit, dass sie erfolgreich sind und es ist auch nicht selbstverständlich, dass, wenn man die Demokratie einmal verliert, wie die Region des heutigen Ostdeutschlands 1933, das nicht nur Dekaden dauern kann, bis die Demokratie zurück ist, sondern dass es auch mehr als eine Revolution brauchen kann, bis die Demokratie wieder zurück ist", so die Grünen-Politikerin. Sepp Müller (CDU) nutzte die Gedenkstunde für einen Angriff auf die Regierung. "Eines sollte uns allen aus der Geschichte klar sein: Die Planwirtschaft ist eine Sackgasse", sagte er. "Die mutigen Menschen sind damals gegen die Unfreiheit und die Planwirtschaft auf die Straßen gegangen. Mit ihrer heutigen Politik kehrt sich diese Reste-Regierung von der Sozialen Marktwirtschaft ab. Die Menschen haben vor 35 Jahren die rote Planwirtschaft nicht abgewählt, um im Jahr 2024 eine rot-grüne installiert zu bekommen", so Müller. Katrin Budde (SPD) bezeichnete den Vorwurf Müllers als "billig" und beklagte sich über eine mangelnde Berücksichtigung Ostdeutscher in Würdigungen der Deutschen Einheit. "Oft wird auch die friedliche Revolution nur als Vorgeschichte der Deutschen Einheit angesehen, die dann dank eines entschlossenen Handelns von Helmut Kohl und Westdeutschlands geschaffen wurde", sagte sie. "Unser aktiver Teil als Ostdeutsche wird übersehen, übergangen, übersprungen." Zudem lobte sie die Arbeit der 1990 demokratisch gewählten Volkskammer. "In nicht mal sieben Monaten - bedenken wir, wie lange wir heute wir heute für Gesetze brauchen - mussten sie die kommunistisch geprägten Verhältnisse in Staat, Wirtschaft, Gesellschaft der DDR umgestalten und demokratisieren, die begonnene Entmachtung der Staatssicherheit konzeptionell vorantreiben, die Gewaltenteilung etablieren, die Strukturen der Rechtsstaatlichkeit schaffen, die Wiedererrichtung der Länder vorantreiben und den Einigungsvertrag verhandeln. Eine Mammutaufgabe." Linda Teuteberg (FDP) forderte, Lehren aus der Wiedervereinigung zu ziehen. "Wir sollten heute, um unsere Demokratie zu stärken und die Freiheit zu verteidigen, gemeinsam außen- und sicherheitspolitisch erwachsen werden", riet sie. "Viele Dinge - Sonderwegsromantik, Anti-amerikanismus oder auch Arroganz gegenüber Mittel- und Osteuropäern - gibt es in Ost und Westdeutschland."