Union und FDP lassen Zustimmung zu geplantem NSU-Gedenkzentrum offen
Die Oppositionsfraktionen der Union und der FDP halten sich offen, ob sie im Bundestag in dieser Legislaturperiode für den Aufbau eines Dokumentationszentrum zu den Verbrechen der rechtsextremistischen Terrorgruppe NSU stimmen und dem Vorhaben der rot-grünen Minderheitsregierung damit zu einer Mehrheit verhelfen wollen.
Dies erklärten die Vize-Fraktionschef der Union, Andrea Lindholz (CSU), und FDP-Vizefraktionschef Konstantin Kuhle auf Anfrage des "Tagesspiegels" am Freitag. Das Bundeskabinett hatte am Mittwoch einen Gesetzentwurf des Innenministeriums für die Gründung einer Stiftung beschlossen. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sowie Staatsministerin Reem Alabali-Radovan (SPD), Beauftragte der Bundesregierung für Antirassismus, appellierten an "die demokratischen Fraktionen" des Bundestages, den Entwurf rasch zu verabschieden. Union und FDP wollen sich aber gegenwärtig nicht zu dem Projekt bekennen.Zu einer Verabschiedung von Gesetzesvorhaben in der bald endenden Wahlperiode sei die Unionsfraktion bekanntlich erst dann bereit, wenn der Bundeskanzler die Vertrauensfrage gestellt hat, sagte Lindholz. Im Vordergrund würden dann ausschließlich Vorhaben stehen, "deren Beschluss in den kommenden Wochen absolut notwendig ist". Die Aufarbeitung von und die Erinnerung an rechtsextremistischen ebenso wie an linksextremistischen und islamistischen Terrorismus in Deutschland seien ohne Zweifel wichtige Anliegen, sagte die CSU-Politiker hinsichtlich der rechtsextremistischen Mordserie an zehn Menschen. "Die Art und Weise, wie das in Zukunft besser geschehen kann, will jedoch in Ruhe überlegt und diskutiert sein." FDP-Vizefraktionschef Kuhle sagte, der Entwurf des Gesetzes liege seiner Fraktion noch nicht vor. "Sobald dieser dem Deutschen Bundestag zugeht, werden wir ihn fachlich mit der notwendigen Ruhe und Sorgfalt prüfen", so Kuhle. Auch die Grünen appellierten an die "demokratischen Fraktionen" im Bundestag, das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode zu verabschieden. Der Gesetzentwurf sei "durchaus gelungen", sagten Fraktionsvize Konstantin von Notz und die Parlamentarische Geschäftsführerin Irene Mihalic dem "Tagesspiegel". Die Stiftung sei ein wesentlicher Baustein für ein neues Erinnern an die schreckliche rechtsextremistische Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds. "Gerade die geplante, enge Vernetzung der Anschlags- und bestehenden Erinnerungsorte in den verschiedenen Bundesländern ist ein wesentliches Element", so von Notz und Mihalic. Die Grünen hätten sich in den vergangenen Monaten "sehr dafür eingesetzt, dass diese wichtige Gesetzgebung noch kommt". Auch die Gruppe der Linken will nach Auskunft der Abgeordneten Petra Pau trotz Bedenken dem Entwurf zustimmen. Der Entwurf zeige das gewachsene öffentliche Bewusstsein für den NSU-Komplex und Rechtsterrorismus und enthalte viele richtige Feststellungen, sagte sie der Zeitung. Er sei zudem sehr darum bemüht, zu erwähnen, wie wichtig die Perspektive der Opfer und ihrer Angehörigen ist. Pau äußerte "große Zweifel" an der behaupteten Unabhängigkeit der geplanten Struktur auf. Das Bundesinnenministerium (BMI) werde diese Stiftung in allen wesentlichen Bereichen steuern und kontrollieren. "Das ist problematisch, weil das BMI bzw. das Bundesamt für Verfassungsschutz selbst wichtige Akteure der (Nicht-)Aufarbeitung des NSU-Komplexes waren", fügte die Linken-Politikerin hinzu. "Dennoch werden wir dem Gesetzentwurf zustimmen, weil eine Stärkung der kritischen Auseinandersetzung mit dem Komplex unabdingbar ist."